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Nauholz lebt:  Traditionen

Nauholzer "Traditionen" und  "Bräuche"

War es im abgelegenen Rothaargebirgstal langweilig? Bis 1963 ohne Fernsehen und das nächste Kino in der Kreisstadt 15 km entfernt ... ?

Das Maimädchensingen am 1. Mai und der Pfingstelömmelbrauch am 1. Pfingsten waren die Siegerländer Dorfklassiker.
Im Jahresablauf ergaben sich allerdings ständig wiederkehrende Ereignisse, die man gerne wahrnahm und die in der Erinnerung nichts an ihrem Charme verloren haben.

Das Maimädchen

Bild rechts:  ca.1939  v. li. Niklauses Alma, Heipels Agnes, Däjeses Maria, Heideries Martha, Kloseschniersch Edith, Krämersch Anni, Fuhrmanns Gerda (Maimädchen), Holderbergs Inge, Möllersch Frieda

Eine schöne alte Tradition an jedem 1. Mai war das Maisingen, wobei alle Mädchen im schulpflichtigen Alter teilnahmen. Jedes Jahr wurde ein Mädchen ausgewählt, welches mit einem Blumenkranz im Haar „das Maimädchen“ sein durfte. Eine schon grüne Birkenspitze wurde mit Farbbändern geschmückt und als Frühlingsbote beim Umzug mitgeführt.
Die Maimädchen gingen durch das ganze Dorf und erfreuten die Nauholzer an den Haustüren mit einem Lied oder Gedicht. Die älteren Mädchen trugen den Korb, in dem die Süssigkeiten (früher eher Früchte und Eier), später vor allem Geldmünzen eingesammelt wurden.

Bild links: ca. 1959 von li. vorn Rita Heinemann, Annegret Wagener und Ursel Althaus.      hinten: Christel Heinemann und Brigitte ... aus Obernau

Bild rechts: 1965 v.li. vorn Erika Klappert, Monika Klein, Renate Holderberg, Dorothea Brühl, Resi Jaschke, hi. Maria Jaschke und Marianne Schmidt. 

 

 

Bild rechts: 1967 v.li. vorn Karin Holderberg, Ester Klappert, Renate Holderberg, ?, mitte. v.li. Hanne Niklaus, ?, Erika Klappert, ?, Dorothea Brühl, hi.v.li. Monika Klein, Marianne Schmidt und Resi Jaschke

 

 


Der "Pingstelömmel" - Brauch in Nauholz

Bild rechts: Anfang der 60er Jahre

In der Woche vor Pfingsten herrschte an manchem Nachmittag seltsames Treiben im Nauholztal. Die "Jongedenger" des Dorfes bereiteten den alljährlichen "Pingstelömmel" - Umzug vor. Es nahmen alle Jungen im schulpflichtigen Alter teil.

Die Älteren hatten auf dem langen Schulweg nach Brauersdorf im Vorfeld schon den 9 oder 10 jährigen Nauholzer ausgeguckt, der die Ehre hatte, als Lömmel in Buchenäste eingebunden zu werden. Auch die beiden Korbträger standen früh fest. Der Marschweg durchs Dorf wurde festgelegt. Besonders schwierig gestalteten sich die Gesangsproben und das Erlernen des Sammlerspruchs. Ort der Geheimtreffs war eine aufgegebenen Köhlerhüttenfläche ,,Omm Läjelche", in deren Nähe auch die frischen Buchenäste geschlagen werden konnten.

Ursprung und tieferer Sinn des Nauholzer Pingstelömmel-Treibens liegen im Dunkel der Geschichte. Die ältesten Ureinwohner des verschwundenen Talsprerrendorfes können nur berichten, dass schon die Großväter beim Sammeln mit dem eingebundenen Waldschrat mitmachten.

Los ging es nach dem Mittagessen des Pfingstsonntags: Der Lömmel wurde mit einer Art Bastrock aus Buchenästen versehen. Der Oberkörper und der Kopf wurden besonders dicht mit dem Buchengrün eingebunden. Wichtig war, dass der Lömmel nicht erkannt wurde. Über dem Kopf band man noch einen Ginsterstrauch zum Schopf dazu. Seitlich mussten Öffnungen für die Arme des Waldschrats frei bleiben, da dieser natürlich geführt wurde. Hinter dem Lömmel und seinen beiden Führern reiten sich die übrigen Jungen auf. Abschluss der Prozession bildeten die beiden Korbträger, die den geschmückten Tragekorb mit den zu sammelnden Schätzen bei sich führten.

Oft war der Weg in die niedrigen Bauernstuben recht schwierig, in denen häufig auch die Verwandtschaft aus Nachbardörfern erwartungsvoll versammelt war.

Das Programm umfasste zunächst die 3 ersten Strophen des Volksliedes ,,Alle Vögel sind schon da." Stimmbruchgeschädigte Knaben hörte man leicht heraus, woraufhin diese oft in einer Art Playback nur die Lippen bewegten.

Anschließend sagten die Korbträger das Pingstelömmel-Gedicht auf:

"Wir kommen gegangen mit Stecken und Stangen
und haben einen jungen Reiher gefangen.
Dieser legt 24 Eier in das Nest.
Die Hälfte davon gebt uns!
Dann geht in die Hääw*
(*Räucher-Raum im Schornsteinbereich)
und schneidet ein Stück Speck ab - so groß wie eine Pferdeklaue.
Wenn der Vater fragt: ,,Wer hat's getan?"
,,Die Katze hat's getan!"
Den Vater belogen - die Katze betrogen -
Der Speck ist in unseren Korb geflogen.
Nun gebt uns Eier oder Geld!
Wer das nicht tut, der hat kein christlich' Blut."


Nach dieser herrlichen Gebrauchslyrik kam der Auftritt des Pfingstelömmels. Mit möglichst tiefer und verstellter Stimme brummte er:

"Ich bin ein kleiner König!
Gebt mit nicht zu wenig!
Lasst mich nicht zu lange stehn,
denn ich muss noch weiter gehn."

Derart um Geschenke angebettelt, gaben die Erwachsenen gerne reichlich. Eier, Speck, Schinkenstücke, Wurst, Obst, Süßigkeiten und vor allem Geld landeten im Korb.

Weiter ging der Umgang durch alle Haushalte des Ortes. Besonders einträglich waren die Auftritte im Gasthof ,,Jägerheim"(Hölzersch), später auch im Gasthaus Klein (Gräwenersch) im Oberdorf und in den etwas außerhalb gelegenen Wochenendhäusern ,,Gernands" und ,,Schleifenbaums"-Hütte. Dort weilten zu Pfingsten oft die sehr freigiebigen Gäste aus der Kreisstadt.
Bei heißem Wetter wurde der Umzug besonders für den Eingeschnürten zur Tortour. Noch mancher Nauholzer Lömmel spürt in der Erinnerung die eingeschnittenen Striemen auf den Schultern. Über 25 Auftritte wurden absolviert.

Nachdem der Lömmel endlich vom inzwischen angewelkten Laubkleid befreit war, wurden die singenden Vortragskünstler beim Aufteilen der Gaben für die Strapazen belohnt. Da man an den Eiern und Hääw-Produkten zumindest in den Sechziger Jahren weniger Interesse hatte, machte man manche Gaben bei Hölzersch Hannche, der Senior-Chefin des ,,Jägerheims", zu Geld, das leichter aufzuteilen war.

Gerne und dankbar denken die Nauholzer Jongedenger an den Lömmel-Brauch zurück.
Die Texte sind unvergessen. Dankbarkeit für das aufgestockte, sonst recht karge Taschengeld mischt sich mit Wehmut über das Ende des Brauches im sterbenden Dorf 1968.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bild links: 1967  v.li.hi. Hermann Niklaus, Henner Höcker, Dieter Hoffmann, Michael Voge, Franz Jaschke, Klaus Hinkel, v.li.vo. Stefan Jaschke, Gottfried Brühl, Karl Friedrich Hoffmann,Gerhard Höcker, Bernd Jaschke und Walter Hoffmann als Pingstelömnmel      

Bild rechts: das letzte Mal 1968  v. li. Gerhard Höcker, Klaus Hinkel als Lömmel, Karl Friedrich Hoffmann, Bernd Jaschke, Walter Hoffmann, Franz Jaschke, Henner Höcker und Dieter Hoffmann

  

Mäggeses-Zuuch

Die jungen Männer zogen im Winter durch das Dorf und sammelten Geld. Es wurde Musik gemacht. Neben dem Akkordeon sollen auch Mandolinen gespielt worden sein. Dieser Brauch ist im und nach dem 2. Weltkrieg eingeschlafen.

  Wer kennt die jungen Männer ?

 

 

 

 

 

Silvester-Saujagd mit Neujooraasenge

Kurz vor Silvester wurde man als Kleinkind oft zur Oma ausquartiert um für Jagdgäste Platz zu schaffen. Hoffmanns Karl, der Jagdaufseher, musste für die Teilnehmer an der Silvester-Treibjagd Unterkünfte finden. Nachmittags hallten die Schüsse durchs Tal und im Hof des "Jägerheims" wurde die Strecke ausgelegt und verblasen. Die Kinder umlagerten die oft heftig zerschossnen Wildschweine, während Jäger, Treiber und andere Erwachsene den Dankes-worten des Jagdpächters Bernhard Dango lauschten. Es wurde Schnaps getrunken. Der Weidenauer Fabrikant lud ins "Jägerheim" zum Schüsseltreiben.

Gegen Mitternacht zogen stimmgewaltige Männer durch Nauholz um das neue Jahr anzusingen. Die Bewohner traten vors Haus und (oft) im Schnee ertönte der Choral ,,Großer Gott wir loben dich!" Es wurde Schnaps getrunken.
Silvesterknaller waren Marke Eigenbau: Karbid, Wasser und eine Konservendose...

Kinder!!! Nicht nachmachen! Es wurde auch schon mal mit Gewehren in die Luft geschossen.

Gemängsarwedd

Für Arbeiten auf gemeideeigenen Flächen waren die Nauholzerinnen und Nauholzer nach ungeschriebenem Gesetz zur Gemeindearbeit aufgerufen. Der Bürgermeister gab Bescheid und wenn um 13.00 Uhr das Glöckchen am Dreschschuppen läutete, ging es los. Man brachte das notwendige Werkzeug mit und wanderte zum Arbeitsgebiet.

Hauptarbeiten waren:

  • Zäune reparieren im Weidekamp und auf der Nachtweide
  • Reinigen der Wasserabläufe (,,Flossse") auf den Waldwegen
  • Bachwasser auf die Wiesen leiten
  • Düngen der Gemeindeweiden ("Schlacke sträje")
  • Säubern und Erneuern des Straßengräben ("Schossegraawe")
  • Mähen und Reinigen der Feldzwischenwege ("Gewanner mache")

Nach Feierabend wurde oft in der Feldflur zünftig gefeiert.

Lechtstonn

Die "Lichtstunde" ist inzwischen völlig in Vergessenheit geraten und nur noch den Älteren entfernt in Erinnerung. Besonders in Herbst und Winter, wenn die Bauernarbeit weniger wurde, nutzte man die Stunden der Dämmerung am späten Nachmittag und frühen Abend zum Stromsparen. Man besuchte sich in der Nachbarschaft und in der warmen Stube hockte man im Halbdunkel beisammen. Es wurde oft gesungen. Radio gehört. Selbstgemachter Kuchen oder Wurstbrote verzehrt. Hagebuttenwein probiert. Und vor allem: Veel geschwadd.

Mußestunden und gepflegte Konversation zum Energiesparen: die Nauholzer Lechtstonn!

Im Backes

Die beiden Backhäuser waren gelegentlich Treffpunkt vor allem der Frauen, die nach der Brotherstellung die Restwärme der Steinplatten zum Backen herrlicher Obstkuchen oder bis in die 50er Jahre auch zum Darren von Flachs nutzten. Hirte Regina erzählte, dass es dann oft sehr gemütlich und lustig zuging. ,,Mir hann gesonge. Ett wohr schüür!"

Oessehawer

Der Macho unter den Nauholzer Rindviehchern lebte in Hoffmanns Kuhstall. Der Bulle wurde bei Bedarf zur Vollziehung des Geschlechtsaktes mit wechselnden Partnerinnen auf die Dorfstraße geführt. Minderjährige wurden zwar ins Haus geschickt, aber es blieb nichts ver-borgen. Der Bulle wurde vom Bullenhalter am Nasenring geführt. Zur Vermeidung von inzestuösen Verwicklungen wurden die Bullen in verschiedenen Abständen ausgetauscht, bzw. in andere Dörfer geschickt. ("Bullenkörung") Heute wird das Geschäft von hauptberuf-lichen Besamern mit stickkstoffgekühltem Sperma in Kanülen besorgt.

Damit den Nauholzer Kühen das Live-Erlebnis und den Landwirten die Erzeugung von Kälbern ermöglicht werden konnte, musste der Bulle genossenschaftlich gut versorgt werden. Die im Talkessel nahe Hohenroth gelegene "Ochsenwiese" diente ausschließlich der Ernte von Heu und Grummet für Hoffmanns Bullen. Getreide, kurz und falsch 'Ochsenhafer' genannt, das als Schrot und Kleie verfüttert wurde, mussten die Landwirte je nach Anzahl ihrer Kühe beisteuern.

Am "Daach noh Kressdach", dem 27.12., wurde das Getreide bei Hoffmanns angeliefert.
Alle Landwirte trafen sich in der guten Stube. Nachdem die Registrierung der Anlieferungen erfolgt war, begann der vielstündige gemütliche Umtrunk mit bäuerlichem Imbiss - organisiert als Bottle-Party mit hohem Spirituosenanteil. Oft musste im Gasthof "Jägerheim" flaschenweise nachgekauft werden. ,"Bimm Oessehawerlewwern wohr ett ömmer schüür!"

Mai-Andachten und Bewelstonne

Für Gottesdienste stand in Nauholz nur ein Raum im alten Schülchen neben dem Dresch-schuppen zur Verfügung. Da evangelische und katholische Christen gleich stark vertreten waren, fiel die friedliche Koexistenz nicht schwer. Man teilte sich den Raum. Das Schülchen wurde außerdem als Wahlort, Gemeindesaal, Notquartier für Manöversoldaten und Bürger-meisterbüro genutzt.
Im Mai rief das Glöckchen die Katholiken zur abendlichen Marien-Andacht. Ein Seitenschrank war als Altar hergerichtet worden. Ansonsten besuchte man die Messe in der katholischen Kirche zu Netphen.

Die Protestanten hielten oft Bibelstunden ("Bewelstonne") ab, zu denen Pastoren und Prediger der freikirchlichen Gemeinschaften nach Nauholz kamen. Die "Sonntagsschule", eine Art Kindergottesdienst, feierte man oft auch in der Obernauer Kapelle. Zum normalen Gottesdienst gingen die Evangelischen nach Deuz oder Netphen. Taufgottesdienste fanden allerdings gerne in Nauholz selbst statt.

1967 zu Weihnachten fanden die letzten evangelischen Gottesdienste im Schülchen statt. Im selben Jahr endete auch die Tradition der katholischen Maiandachten.

"Rrrruuoommm" - Dräsche

"Nur bimm Dräsche onn bimm Olwernsööche worne sich die Nauholzer nett einich!"
Dieser Einschätzung von Niklauses Alma muss zugestimmt werden. Es gab nur wenige er-giebige Waldbeerbestände und nur eine Dreschmaschine im Dreschschuppen. Heutige Mäh-drescher waren unerschwinglich und an den steilen Hängen nicht einsetzbar. Das geerntete Getreide trocknete auf den Feldern zu Rittern aufgestellt. Wenn die Garben trocken waren, kam es beim Dreschen in Nauholz zu Kapazitätsproblemen. Kinder durften oder mussten oft bis in den frühen Morgen mitarbeiten. Volle Action!

Durch Los wurde die Reihenfolge festgelegt in der die hoch beladenen Erntefuhrwerke von den Feldern zum Dreschschuppen vorfahren durften. Jede Familie hatte ihre Leute zum Dräsche eingeteilt. Vom Wagen mussten die Getreidegarben per Gabel auf die Maschine geworfen werden. Mit scharfen Messern wurden die Garbengebinde aufgeschnitten und dann in die Maschine eingegeben. Alles unter Höllenlärm und voller Staub. Vorne kamen die gebundenen Strohballen schräg heraus, die dann auf die Wagen der Dreschenden abgeladen und aufgestapelt wurden. Die Ströhwagen wurden umgehend in die heimischen Scheunen entleert und wieder vorgefahren. Die Seilrollen wurden ersetzt - Kornsiebe je nach Getreideart ausgewechselt.
Nonstopp erschallte das ,,Rrrruuoomm" der Maschine durchs Dorf.

An der Hinterseite - nach Henneries raus - stand ein Verantwortlicher für das Einsacken der Frucht an Sackaufhängungen und musste mit Schiebern hantieren und kräftig zulangen um die schweren Getreidesäcke auf Seite zu ziehen. Die Spreu-Säcke waren viel leichter; man nutzte das Spreu als Streu in den Ställen oder früher sogar aus Kissen-Inhalt in den Schlafzimmern. Das Getreide landete auf einem glatten Lehmboden ,,omm Ollern": Auf dem Dachboden musste das Getreide gelegentlich umgeschaufelt und gelüftet werden. Außerdem galt es mit Hilfe von Katzen und Fallen gefräßige Mäuse fern zu halten.
Das Nauholzer Getreide wurde als selbst gemahlenes Schrot ans Vieh verfüttert oder beim Nenkersdorfer Müller Friedhelm Weber gemahlen. Das Mehl wurde zu leckerem Backesbrot oder an einen Netphener Bäcker gegen verbilligtes Brot ausgeliefert.
Nicht von ungefähr ist bis heute der Dreschschuppen Mittelpunkt westfälischer Dörfer.

Deckwurzel-Halloween

Der neumodische Kürbis-Brauch aus den USA macht sich inzwischen überall in Europa breit. Am 31.Oktober erschrecken Kinder und Jugendliche ihre Mitmenschen durch geschnitzte Kürbismasken. In Nauholz nichts Neues!

Ohne je das Wort Halloween gehört zu haben suchten Nauholzer Jongedenger im Keller nach schönen, frisch geernteten rotbackigen Runkelrüben. Diese - Deckwurzeln genannten Feldfrüchte - dienten gekocht als gutes Schweinefutter. Mit Küchenmessern ("Knippche") wurden die Rüben so ausgehöhlt, dass eine möglichst dünn-transparente Schale übrigblieb. In diese schnitzte man eine gruselige Fratze. Am Boden der Deckwurzel befestigte man eine Haushaltskerze, die man im Laden bei Bennersch Selma oder Gräwenersch Ziss erworben hatte. Man zog durchs Dorf und versuchte von außen am Stubenfenster die Bauernsfrauen bei der Lichtstunde mit den leuchtenden Rüben-Gesichtern zu erschrecken. ,,Hä, ihr garschdije Jongedenger! Macht au fort!"

Flämme

Vorsicht! - Umweltpolitisch inzwischen völlig unkorrekt! - Verboten! - Gefährlich! - Nicht nachmachen!

In früher Vorzeit müssen Nauholzer Landwirte erkannt haben, dass abgebranntes Grasland guten Untergrund für neues Grün bietet. Seit Urzeiten hielt sich die Angewohnheit vertrocknete Wiesen - und Weideflächen abzubrennen. Die gelegten Grasbrände galt es natürlich gezielt unter Kontrolle zu halten. Das Flämmen lockte die Dorfkinder an. Mit allen möglichen Agrargeräten wurde das kriechende Feuer auf die gewünschte Fläche begrenzt.

Nur gelegentlich schlugen Flammen über in den Hauberg oder Fichtenschonungen. Zu großen Waldbränden ist es allerdings seit Menschengedenken in Nauholz nicht gekommen.

Man hatte halt Erfahrung. Zum Schutz brauchte Nauholz die auswärtige Feuerwehr nicht.
Die Feuerwehr kam erst nach Nauholz um das Dorf selbst anzuzünden!

Weidekamp

Das Touristen-Gedöns vieler bayrischer Dörfer und Kleinstädte um den Almauf- und – abtrieb des Weideviehs hatten die Nauholzer gar nicht nötig. Das fand hier von Frühling bis Herbst quasi täglich statt.

Wo heute Fichtenbestände und Wildwiesen das Nebental „I dr Stellmich“ prägen, lag der Nauholzer Weidekamp. Auf den abgeteilten Koppeln weideten die Kühe tagsüber in freier Natur. Artgerechter und naturnaher konnte ein Kuhleben nicht sein!

Von Zeit zu Zeit teilte man die Koppeln neu zu, damit das Gras auf den abge-weideten Teilen nachwachsen konnte. Natürlich musste im Weidekamp auch gedüngt werden. Das „Kali- onn Schlaggesträje“ zählte zu den eher unbeliebten Gemeindearbeiten der Dorfgemeinschaft. Möllersch-Daubs Elfriede sagte mal: „Hä, mr sauwe schwarz uss wie de Söij.“ Auch die sehr langen Zäune mussten in Schuss gehalten werden.

Der faszinierende Weide-Auftrieb begann gegen Mittag durch ein Hornsignal. Am Haus des Bürgermeisters hing ein Horn, das auch als Tröte oder Hupe durchge-gangen wäre. Auf den durchdringlichen Ton hin lösten die Bäuerinnen und Bauern die Ketten der Kühe in den Ställen. Ohne jegliche Disziplinierungsmaßnahmen trotteten die Kühe brav hin zur Dorfmitte, wo der Weg zum „Schewwel“ abging, der dann weiter in den Weidekamp führte. Zwei oder drei Dorfkinder übernahmen meist die Funktion der Hirten. Mitgenommene Stöcke kamen fast nie zum Einsatz und wenn die Viehherde nach knapp anderthalb Kilometer im eingeteilten Kampen ankam, wurde nur noch das Gatter geschlossen und der Heimweg angetreten.

Noch eindrucksvoller und wundersamer verlief die Heimkehr der Nauholz-Kühe am frühen Abend. Am geöffneten Weidekamp-Gatter herbeigerufen, erfolgte die Rückkehr in die heimischen Ställe ruhig und völlig stressfrei, - beschleunigt höchstens durch einen vorhandenen Melkdruck. Jede Kuh kannte nicht nur den Weg zum heimischen Hof; nein, sie ordnete sich problemlos beim Betreten des Stalls ein und erkannte genau ihr Stallgefach, wo die warteten Landwirte die Ankettung vornahmen, um dann mit dem Melken und Füttern beginnen zu können. Noch heute in bester Erinnerung ist Niklauses „Loni“, die Rotbunte mit dem absolut längsten Weideweg mit mancher Abzweigung, den sie stets fehlerfrei bewältigte. Dumme Kuh – kein Schimpfwort kann falscher sein!

Das Weidekamp-Horn ist nach dem Dorfende leider verschwunden. Sollte es irgendwo auftauchen…bitte beim Waldgenossenschaftsvorsitzenden abgeben!



Nachtweide

Für noch nicht geschlechtsreife Jungkühe gab es in Nauholz ein attraktives Outdoor-Angebot mit Rundum-Selbstversorgung in der Gruppe: die Nachtweide. „Hennr dr Höh“, hinter dem Nollenkopf und nahe des heutigen Lagerschuppens lagen zwei eingezäunte Kampen – durch einen Weg getrennt. Hier konnten die jungen Tiere von Mai bis Oktober nach Lust und Laune weiden. Für’s Getränk sorgten zu Wasserbehältern umfunktionierte Jauchefässer mit angeschlossener Trinkwanne. Bäume spendeten Schatten und zu Übergriffen durch Wild kam es nie.                                                                                                                                                                               Die der Almweidewirtschaft verwandte Viehhaltung bedeutete nicht, dass die Tiere völlig unbetreut blieben. Sonntags, oder bei sich bietender Gelegenheit im Alltagsgeschäft kamen die Landwirte an der Nachtweide vorbei, um nach ihren Tieren zu sehen, sie mit Namen zu rufen und mit Leckerchen zu verwöhnen. So wurde der drohenden Verwilderung begegnet, eine Prägung auf den Besitzer bewirkt und die herbstliche Stalleingewöhnung erleichtert.                                                                                                                                                                                                           Wenn die Geschlechtsreife einsetzte und an Kälbererzeugung zu denken war, endete die Nachtweide-Zeit der Nauholzer Jungkuh. Hoffmanns Bulle ließ sich nicht lange bitten. Auf die junge Mutter wartete der Weidekamp „I dr Stellmich“.

Sollten die Millionen Kühe in den miesen Großstallungen und elenden Viehtrans-portern dieser Welt von einem Kuh-Paradies träumen – Nauholz würde dem schon sehr, sehr nahekommen!

 

Melchrambe

Ein Sonderfall der Nauholzer Dorfeinrichtungen war die „Melchrambe“ genannte Milchrampe in der Ortsmitte -  zwischen Dorfstraße und Hirte Haus. Dieses Holzgestell gab es in vielen Dörfern des Rothaargebirges. Es diente zuallererst als Sammelstelle der Milchkannen nach dem morgendlichen Melken. Der Milch-transporter, zuletzt „der Möller Friedhelm“ aus Nenkersdorf, nahm die Milch mit zur Molkerei in Geisweid und stellte die leeren Blechbehältnisse wieder dort ab. Damit es keinen Verwechslungsärger gab, waren die Kannen genormt und mit Ortskürzel (Nz) und Hausnummer gekennzeichnet. Zur Kühlung der Milchkannen diente der „Pohl im Baach“ – aufgestaute Klein-Pools im Nauholzbach.            Das Milchgeld war eine wichtige Einkommensquelle der Nauholzer Bauern, auch wenn sehr viele in den 1960er Jahren „nur noch“ Nebenerwerbslandwirte waren.                                  Die Melchrambe diente den Dorfkindern als Turn- und Spielstätte und den Frauen als „Nachrichtenbörse“; man könnte auch von einem Kommunikationszentrum sprechen. Nach dem Abstellen der Milchkannen auf der Rampe waren immer alle Neuigkeiten „durchs Dorf“.